Stadt Krefeld / Das komplette Urteil des Bundesverwaltungsgericht

Das komplette Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig

bezüglich der Klage der Stadtverwaltung Krefeld

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

BVerwG 4 A 1.13

Verkündet

am 17. Dezember 2013

Salli-Jarosch

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

(Die persönlichen Daten wurden vom Bundesverwaltungsgericht gelöscht.)

hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts

auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 2013

durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel

und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz, Petz, Dr. Decker und

Dr. Külpmann

für Recht erkannt:

Der Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 7. No-

vember 2012 ist rechtswidrig und darf nicht vollzogen

werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte und die

Beigeladene zu je 1/2.

Gründe:

1

Die Klägerin, eine Gemeinde, wendet sich gegen den Planfeststellungsbe-

schluss des Beklagten für den Neubau der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung

Punkt F. - Punkt St. T., Bauleitnummer (Bl.) 4571.

2

Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses ist die Errichtung und der Be-

trieb einer rund 7,4 km langen 380 kV-Höchstspannungsfreileitung einschließ-

lich der damit im Zusammenhang stehenden Folgemaßnahmen sowie der Maß-

nahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Die Leitung dient einem

Lückenschluss und soll die Energieversorgung der Stadt K. und ihrer Umge-

bung langfristig sichern. Insgesamt werden 23 Masten unterschiedlichen Bau-

typs neu errichtet, zugleich 17 Masten demontiert. Die planfestgestellte Trasse

beginnt am Punkt F. unter Anschluss an die Höchstspannungsfreileitung

Bl. 4123. Sie kreuzt aus südöstlicher Richtung kommend die Bundesautobahn

A 44 und wird dann weitgehend parallel zu dieser Bundesautobahn geführt, be-

rührt bei Mast 5 das Gebiet des „Campus F.“, kreuzt an der Anschlussstelle F.

die Landesstraße L 382 und verläuft weiter in weitgehend westlicher Richtung

bis zu einer stillgelegten, nach Norden verlaufenden Eisenbahntrasse. Parallel

hierzu wird sie zum Edelstahlwerk geführt. Dort verschwenkt sie leicht nach

Westen und führt zum Punkt St. T.. Auf diesem etwa 2,9 km langen Teilstück

befindet sich die rückzubauende Freileitung Bl. 2339. Die Trasse verläuft hier

am Ortsrand der Klägerin, dem sie sich bis auf knapp 30 m von der Trassenmit-

te nähert. Über die gesamte Strecke wird die Trasse parallel zur bestehenden

Freileitung Bl. 2388 geführt.

3

Im Juni 2007 übersandte eine Rechtsvorgängerin der Beigeladenen dem Be-

klagten ein Gutachten zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls nach dem

Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) zur Prüfung, ob das

Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfe. Das Gutachten vernein-

te eine solche Pflicht. Für die Umweltauswirkungen legte es eine dreistufige

Skala („erheblich“ - „deutlich“ - „gering“) zu Grunde. Erhebliche Umweltauswir-

kungen verneinte es durchgängig, deutliche Auswirkungen bejahte es hinsicht-

lich einzelner Kriterien für die Vorprüfung des Einzelfalls im Rahmen einer Um-

weltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 2 zum UVPG. Die zu erwartenden

Umweltverschmutzungen (Ziff. 1.4 der Anlage 2 zum UVPG) schätzte das Gut-

achten als gering ein, da die Immissionen durch elektromagnetische Felder die

maßgeblichen Grenzwerte einhielten. Nach Beteiligung verschiedener Fachde-

zernate stellte die Planfeststellungsbehörde des Beklagten in einem Vermerk

vom 8. Januar 2008 fest, der Eingriff werde in keinem relevanten Schutzgut zu

erheblichen Umweltauswirkungen führen, eine Umweltverträglichkeitsprüfung

sei daher nicht erforderlich. Auf Nachfrage teilte der Beklagte dem Beigelade-

nen unter dem 20. Dezember 2010 mit, es bleibe bei dieser Einschätzung.

4

Zu den im Jahr 2010 eingereichten Planfeststellungsunterlagen beteiligte die

Beklagte im März 2011 die Träger der öffentlichen Belange, darunter die Kläge-

rin. Die Unterlagen wurden in der Zeit vom 28. März bis 9. Mai 2011 bei der

Stadt K. ausgelegt.

5

Die Klägerin nahm unter dem 5. Mai 2011, beim Beklagten eingegangen am

9. Mai 2011, zu dem Vorhaben Stellung. Die Trasse habe einen zu geringen

Abstand zur Wohnbebauung im Bereich des Stadtteils B., es müsse geprüft

werden, ob die Leitung negative gesundheitliche Wirkungen für die Bewohner

der dortigen Wohngebiete habe. Die Unterlagen ließen die Stärke der elektro-

magnetischen Felder nicht erkennen. Es bedürfe einer Prüfung von Alternati-

ven, sowohl einer Erdverkabelung als auch einer mindestens teilweisen Verle-

gung der Trasse. Die Planung berühre beim „Campus F.“ den Bebauungsplan

Nr. 653, dort reiche der Schutzstreifen auf einer Breite von ca. 300 m bis zu 5 m

in die festgesetzten Gewerbegebiete hinein. Weiter rügte die Klägerin Mängel

hinsichtlich des Landschafts- und Artenschutzes sowie des Grund- und Trink-

wasserschutzes während der Bauphase. Schließlich forderte sie, eine Umwelt-

verträglichkeitsprüfung durchzuführen.

6

Mit Schreiben vom 20. Dezember 2011 legte die Klägerin ein Gutachten zu den

Möglichkeiten und Auswirkungen einer 380-kV-Erdkabelverlegung vor. Es be-

schreibt die technischen, betrieblichen und umweltrelevanten Eigenschaften

von Freileitungen und Erdkabeln und vergleicht die Wirtschaftlichkeit. Die Aus-

führung der Leitung als Freileitung stelle, so das Gutachten, aus technischer,

betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht eindeutig die zu bevorzugende Va-

riante dar. Die Einwendungen der Klägerin wurden in einem nicht-öffentlichen

Erörterungstermin am 28. Februar 2012 erörtert.

7

Der Beklagte stellte den Plan mit Planfeststellungsbeschluss vom 7. November

2012 fest und stellte ihn der Klägerin am 27. November 2012 zu.

8

Die Klägerin ist Eigentümerin zahlreicher Grundstücke, für die der Planfeststel-

lungsbeschluss eine Enteignung für zulässig erklärt. Wegen der bereits be-

stehenden Leitung (Bl. 2388), aber auch wegen einer 1962 planfestgestellten,

aber nicht verwirklichten Leitung ist eine Vielzahl dieser Grundstücke dinglich

zugunsten von Rechtsvorgängerinnen der Beigeladenen belastet. Die privat-

rechtliche Situation weicht im Detail voneinander ab. Von elektromagnetischen

Feldern und Lärm sind einzelne Grundstücke im Eigentum der Klägerin betrof-

fen, die auf der Grundlage von Erbbaurechten zu Wohnzwecken genutzt wer-

den.

9

Die Klägerin hat am 20. Dezember 2012 Klage erhoben. Nach ihrer Auffassung

bedurfte das Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Der Landschafts-

schutz sei unzutreffend abgearbeitet. Die nur knapp unterschrittenen Grenzwer-

te der 26. BImSchV seien wissenschaftlich überholt und die entstehenden Im-

missionen unzumutbar. Die Richtwerte der TA Lärm seien überschritten, die

hierzu vorgelegten Unterlagen unvollständig. Der Planfeststellungsbeschluss

greife durch eine rechteckige Gestaltung der Schutzstreifen mehr als erforder-

lich auf ihr Eigentum zu. Den Gefahren durch Mastbrüche werde nicht ausrei-

chend begegnet. Die Alternativenprüfung sei unzureichend. Mindestens teilwei-

se dränge sich die Ausführung als Erdkabel auf, insbesondere im Bereich zwi-

schen dem Edelstahlwerk und dem Punkt St. T..

10

Die Klägerin beantragt,

den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 7. No-

vember 2012 für den Neubau der 380 kV-Höchstspan-

nungsleitung Punkt F. - Punkt St. T., Bl. 4571 in den Ab-

schnitten Punkt F. - Punkt St. T. aufzuheben,

hilfsweise,

den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Planfest-

stellungsbeschlusses vom 7. November 2012 zu verpflich-

ten, über Schutzvorkehrungen zur Wahrung der kommu-

nalen Selbstverwaltungsgarantie der Klägerin und zum

Schutz ihres Grundeigentums, insbesondere vor Immis-

sionen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Ge-

richts neu zu entscheiden.

11

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Die Klägerin sei hinsichtlich mehrerer Einwendungen präkludiert. Den Anforde-

rungen an eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls habe die Beklagte ge-

nügt. Verstöße gegen Vorschriften des Landschaftsschutzes könne die Klägerin

nicht rügen. Die Grenzwerte der 26. BImSchV seien gewahrt und in der Sache

nicht zu beanstanden. Hinsichtlich des Lärmschutzes mache die Klägerin keine

eigenen Belange geltend. Im Übrigen würden die maßgeblichen Werte der

TA-Lärm eingehalten. Der Planfeststellungsbeschluss leide nicht an Abwä-

gungsfehlern. Die Alternativenprüfung sei rechtmäßig. Insbesondere sei eine

Führung als Erdkabel gesetzlich ausgeschlossen, jedenfalls fehlerfrei abgewo-

gen und abgelehnt worden. Sicherheitsgefahren beständen nicht, weil die Anla-

ge die allgemein anerkannten Regeln der Technik beachte.

13

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

14

Die Klage sei unzulässig, jedenfalls unbegründet. Der Klägerin fehle die Klage-

befugnis. Sie sei als Gemeinde nicht Trägerin von Grundrechten und mache

sich hinsichtlich einzelner Belange zur Sachwalterin fremder Interessen. Ihre

Planungshoheit sei nicht betroffen. Die Klägerin habe kein subjektives öffentli-

ches Recht auf Erdverkabelung. Schließlich sei die Klägerin mit einer Reihe von

Einwänden präkludiert, so auch mit der Forderung nach einer Umweltverträg-

lichkeitsprüfung. In der Sache hält die Beigeladene die Klage für unbegründet

und verteidigt den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss.

15

Der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat einen Eilantrag der Klägerin

auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage mit Beschluss vom

28. Februar 2013 (BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 = ER 2013, 119) abge-

lehnt.

16

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet. Dem Planfeststellungsbe-

schluss hätte eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorausgehen müssen. Dieser

Mangel führt nicht zur Aufhebung des Beschlusses, aber zur Feststellung seiner

Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit.

17

A. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO

i.V.m. § 1 Abs. 3 des Energieleitungsausbaugesetzes (EnLAG) i.V.m. Nr. 14 der

Anlage zum EnLAG im ersten und letzten Rechtszug, weil das Vorhaben ein

Teil des Neubaus der Höchstspannungsleitung Niederrhein - Utfort - Osterath

mit einer Nennspannung von 380 kV ist.

18

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin klagebefugt im Sinne des

§ 42 Abs. 2 VwGO. Eine Verletzung von Rechten der Klägerin kann nicht offen-

sichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen werden

(vgl. Urteil vom 22. Februar 1984 - BVerwG 1 C 24.92 - BVerwGE 95, 133

<134> = Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 202 S. 2).

19

Die Klägerin kann wie ein privater Grundstückseigentümer geltend machen, die

(teilweise) Inanspruchnahme der in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke

verletze das Gebot einer gerechten Abwägung ihrer eigenen Belange (Urteil

vom 27. März 1992 - BVerwG 7 C 18.91 - BVerwGE 90, 96 <101> = Buchholz

451.22 AbfG Nr. 48 S. 125 und Beschluss vom 26. September 2013 - BVerwG

4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 17). Hiervon ist auch der 7. Senat des Bundes-

verwaltungsgerichts in seinen Beschlüssen vom 9. Oktober 2012 (BVerwG

7 VR 10.12 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 31 Rn. 7) und vom 28. Februar

2013 (BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 7) ausgegangen. Anders als

die Beigeladene meint, spielt es nur für die Abwägung, nicht aber für die Klage-

befugnis eine Rolle, ob die betroffenen Grundstücke der Klägerin einen Bezug

zur Erfüllung gemeindlicher Aufgaben haben (vgl. Urteil vom 24. November

1994 - BVerwG 7 C 25.93 - BVerwGE 97, 143 <151 f.> = Buchholz 451.22 § 7

Abfallbeseitigung Nr. 1 S. 9 und Beschluss vom 18. März 2008 - BVerwG 9 VR

5.07 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 197 Rn. 16).

20

Der Klagebefugnis steht nicht entgegen, dass im Bereich der zurückzubauen-

den Freileitung (Bl. 2339) - also zwischen dem Edelstahlwerk und dem Punkt

St. T. - die vorhandenen Schutzstreifen ausreichen (S. 32 des Planfeststel-

lungsbeschlusses) und mindestens zu einem Teil dinglich gesichert sind. Ge-

genstand der Planfeststellung ist ein Gesamtbauvorhaben, das die Errichtung

einer Freileitung bei Rückbau einer bestehenden Freileitung umfasst. Gegen-

über diesem Eigentumszugriff ist die Klägerin klagebefugt, da sie ihre Klage mit

der Hoffnung verbinden kann, dass eine veränderte Planung bestehende Belas-

tungen entfallen lässt, ohne neue Lasten zu begründen (Beschluss vom

26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 17).

21

Ob die Klagebefugnis auch aus einer möglichen Beeinträchtigung der Pla-

nungshoheit nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG folgt, kann offen bleiben. Mit Beja-

hung der Klagebefugnis wegen der Eigentumsbetroffenheit ist die Klage insge-

samt zulässig. § 42 Abs. 2 VwGO lässt es nicht zu, die Klage nach unterschied-

lichen Klagegründen aufzuspalten mit der Folge, einzelne Klagegründe im We-

ge einer Art Vorprüfung endgültig auszuschalten und die sachliche Nachprüfung

des klägerischen Vorbringens auf die verbleibenden Klagegründe zu beschrän-

ken (Urteil vom 20. Mai 1998 - BVerwG 11 C 3.97 - Buchholz 406.25 § 41

BImSchG Nr. 18 S. 52). Gleiches gilt für den Einwand der Beigeladenen, die

Klägerin sei mit bestimmten Einwendungen präkludiert. Denn die mögliche Prä-

klusion von einzelnen Einwendungen berührt nicht die Klagebefugnis, sondern

betrifft den Umfang der Begründetheitsprüfung.

22

B. Die Klage ist überwiegend begründet. Zwar war der Hauptantrag auf Aufhe-

bung des Planfeststellungsbeschlusses abzuweisen, die Klage hat aber mit

dem in diesem Antrag als „Minus“ enthaltenen Begehren Erfolg , die Rechtswid-

rigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses festzustellen

(vgl. Urteil vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 11.03 - BVerwGE 121, 72 <74>

= Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 36) (I.). Die übrigen Einwen-

dungen der Klägerin führen nicht auf Rechtsfehler des Planfeststellungsbe-

schlusses (II.).

23

I. 1. a) Die Klägerin als von der Fachplanung betroffene Gemeinde ist auf die

Rüge von Vorschriften beschränkt, die ihrem Schutz dienen. Weder die in

Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgte Selbstverwaltungsgarantie und Planungs-

hoheit noch das zivilrechtliche Eigentum an den Grundstücken, die durch das

planfestgestellte Vorhaben in Anspruch genommen werden, vermitteln ihr einen

Anspruch auf Vollüberprüfung des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr, Urteil

vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388 <391 f.> = Buch-

holz 407.4 § 17 FStrG Nr. 114 S. 123, Beschlüsse vom 28. Februar 2013

- BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 10 und vom 26. September 2013

- BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 26). Auch eine enteignungsrechtliche

Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses zu ihren Lasten führt nicht zu

dem aus Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG hergeleiteten Anspruch auf vollumfängliche

Prüfung, da die Klägerin nicht Trägerin des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG

ist (BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82

<100 f.>).

24

Damit scheidet eine Prüfung des Planfeststellungsbeschlusses an naturschutz-

rechtlichen Regelungen von vornherein aus (Beschluss vom 18. März 2008

- a.a.O. Rn. 12). Dies gilt auch, soweit die Klägerin untere Landschaftsbehörde

nach § 8 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Sicherung des Naturhaushalts und zur

Entwicklung der Landschaft Nordrhein-Westfalen (Landschaftsgesetz - LG

NRW) i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. Juli 2000 (GV. NRW S. 568), zuletzt

geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 16. März 2010 (GV. NRW S. 185) ist.

Insoweit nimmt sie zwar Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung (§ 8 Abs. 3

Satz 1 LG NRW) wahr, sie wird aber nicht Begünstigte des materiellen Natur-

schutzrechtes, wenn - wie hier die Planfeststellungsbehörde (§ 75 Abs. 1 Satz 1

VwVfG NRW) - eine andere Behörde für naturschutzrechtliche Entscheidungen

zuständig ist.

25

b) Maßgeblich für die Prüfung des Planfeststellungsbeschlusses ist die Rechts-

lage bei dessen Erlass am 7. November 2012, soweit nicht spätere Rechtsän-

derungen einen vormaligen Rechtsverstoß entfallen lassen (Urteil vom 12. Au-

gust 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 52 = Buchholz 407.4

§ 17 FStrG Nr. 203 Rn. 52).

26

2. Der Einwand der Klägerin, vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses habe

es einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurft, ist nicht nach § 43b Nr. 1 Satz 2

EnWG präkludiert (a). Er hat in der Sache Erfolg. Auch unter Berücksichtigung

der durch § 3a Satz 4 UVPG eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle (b) ist fest-

zustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig ist, weil es vor sei-

nem Erlass einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurfte (c). Dieser Fehler führt

nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, aber nach § 4 Abs. 3,

Abs. 1 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG zur Feststellung seiner

Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit (d).

27

a) Die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung ist nicht nach § 43b

Nr. 1 Satz 2 EnWG präkludiert.

28

Gemäß § 43b Nr. 1 Satz 2 EnWG sind Äußerungen, Einwendungen und Stel-

lungnahmen nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist nach Satz 1 ausgeschlossen.

Diese Mitwirkungslast gilt uneingeschränkt auch für eine Gebietskörperschaft,

die im Planfeststellungsverfahren als Behörde und damit als Trägerin öffentli-

cher Belange zur Stellungnahme aufgefordert worden ist (vgl. Urteil vom 9. Feb-

ruar 2005 - BVerwG 9 A 62.03 - NVwZ 2005, 813 <815> <insoweit in Buchholz

316 § 78 VwVfG Nr. 10 nicht abgedruckt> zur Mitwirkungslast nach § 17 Abs. 4

Satz 1 FStrG). Die Einwendungsfrist, über die entsprechend § 43b Satz 3

EnWG belehrt worden ist, lief hier am 9. Mai 2011 ab. Der damit eintretende

Einwendungsausschluss erstreckt sich auch auf das gerichtliche Verfahren (Ur-

teile vom 23. April 1997 - BVerwG 11 A 7.97 - BVerwGE 104, 337 <343>

= Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 16 S. 32 und vom 18. Juli 2013 - BVerwG 7 A

4.12 - NVwZ 2013, 1605 Rn. 65).

29

Der 7. Senat hat dargelegt (Beschluss vom 28. Februar 2013 - BVerwG 7 VR

13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 12), dass das Schreiben der Klägerin vom 5. Mai

2011 den Anforderungen an ein Einwendungsschreiben einer Gebietskörper-

schaft genügt. Diese Einschätzung teilt der erkennende Senat. Entgegen der

Auffassung der Beigeladenen hat die Klägerin auch substantiiert eine Umwelt-

verträglichkeitsprüfung gefordert. Die Klägerin erhob diese Forderung vor dem

Hintergrund, dass nach ihrer Auffassung „dem Antrag für das Planfeststellungs-

verfahren entscheidungserhebliche Unterlagen fehlen und darüber hinaus wei-

tere Belange und umweltbezogene Auswirkungen geprüft“ werden sollten. Wel

che Umweltbelange die Klägerin im Auge hatte, ergab sich aus dem Schreiben

im Übrigen.

30

Anders als die Beigeladene meint, ist die Forderung nach einer Umweltverträg-

lichkeitsprüfung nicht in Folge des Erörterungstermins vom 28. Februar 2012

präkludiert. Allerdings ist es unzulässig, im Klageverfahren auf frühere Einwen-

dungen zurückzukommen, wenn im Anhörungsverfahren eine streitbefriedende

Erörterung gelingt (Beschluss vom 17. Februar 1997 - BVerwG 4 VR 17.96 -

LKV 1997, 328 <insoweit in Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 127 nicht abge-

druckt>). Ein solcher Fall lag hier aber nicht vor. Die auf naturschutzfachliche

Erwägungen bezogene Äußerung eines Mitarbeiters der Klägerin in deren

Funktion als untere Landschaftsschutzbehörde im Erörterungstermin vom

28. Februar 2012 konnte nicht dahin verstanden werden, für die Klägerin als

planbetroffene Gebietskörperschaft solle die Forderung nach einer Umweltver-

träglichkeitsprüfung fallen gelassen werden.

31

Hiervon ausgehend bedarf es weder einer Entscheidung, ob die Forderung

nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung den fachplanungsrechtlichen Rege-

lungen über die Präklusion unterliegt (offengelassen in Beschluss vom 10. Ok-

tober 2006 - BVerwG 9 B 27.05 - NVwZ 2007, 84 Rn. 19 <insoweit in Buchholz

406.251 § 11 UVPG Nr. 4 nicht abgedruckt>; dafür OVG Lüneburg, Urteil vom

19. September 2013 - 7 KS 209/11 - juris Rn. 63; Neumann, in: Stelkens/Bonk/

Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 73 Rn. 98), noch, ob - bejahendenfalls - gegen

eine solche nationale Regelung unionsrechtliche Bedenken bestehen.

32

b) Gemäß § 3a Satz 4 UVPG unterliegt die aufgrund der Vorprüfung getroffene

behördliche Feststellung, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterbleiben

soll, eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Die behördliche Einschätzung ist

im gerichtlichen Verfahren nur daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung ent-

sprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt worden ist und ob das

Ergebnis nachvollziehbar ist. Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich auf die Fra-

ge, ob die Behörde den Rechtsbegriff der Erheblichkeit zutreffend ausgelegt hat

(Urteil vom 20. August 2008 - BVerwG 4 C 11.07 - BVerwGE 131, 352 Rn. 26

= Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 2).

33

Anknüpfend an diese der zuständigen Behörde in § 3a Satz 4 UVP eingeräumte

Beurteilungsermächtigung stellt § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG klar, dass die be-

hördliche Entscheidung im gerichtlichen Verfahren unter anderem darauf zu

überprüfen ist, ob das anzuwendende Recht verkannt wurde. Das Umwelt-

rechtsbehelfsgesetz findet hier Anwendung, weil infolge der von § 3c Satz 1

UVPG i.V.m. Ziffer 19.1.3 der Anlage 1 zum UVPG angeordneten allgemeinen

Vorprüfung des Einzelfalls für den in Rede stehenden Planfeststellungsbe-

schluss eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im

Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG bestehen kann (vgl. Urteil vom

20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 18 = Buch-

holz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3; Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer,

Umweltrecht, Stand: April 2013, § 1 UmwRG Rn. 29).

34

Der Anwendung von § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG steht nicht entgegen, dass die

Vorschrift nach Art. 13 Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechts-

behelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar

2013 (BGBl I S. 95) erst am 29. Januar 2013 und damit nach Klageerhebung in

Kraft getreten ist. Die geänderten Vorschriften des Gesetzes gelten nach § 5

Abs. 4 Satz 1 UmwRG auch für Rechtsbehelfsverfahren nach § 2, die am

12. Mai 2011 anhängig waren oder nach diesem Tag eingeleitet worden sind

und die am 29. Januar 2013 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen worden

sind. Zwar handelt es sich hier nicht um den Rechtsbehelf einer anerkannten

Vereinigung nach § 2 Abs. 1 UmwRG, der Gesetzgeber knüpft in § 5 Abs. 4

Satz 1 UmwRG aber an allgemeine Grundsätze des intertemporalen Prozess-

rechts an, die gleichfalls eine Anwendung des § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG for-

dern (vgl. BTDrucks 17/10957 S. 18; Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl.

2010, § 194 Rn. 1).

35

c) Der Beklagte hat die UVP-Vorprüfung nicht entsprechend den Vorgaben von

§ 3c UVPG durchgeführt und damit das anzuwendende Recht im Sinne von

§ 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG verkannt. Die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls

hätte zu der Annahme führen müssen, dass das Vorhaben unter Berücksichti-

gung der in der Anlage 2 zum UVPG aufgeführten Kriterien erhebliche nachtei-

lige Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG haben kann, so dass

es einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurft hätte. Dies folgt aus der bei der

Vorprüfung absehbaren Belastung der Wohnbevölkerung mit Immissionen

durch elektromagnetische Felder.

36

Das von der Beigeladenen vorgelegte Gutachten zur allgemeinen Vorprüfung

des Einzelfalls verneint erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen der Sache

nach mit dem Hinweis, dass die Grenzwerte der 26. Verordnung zur Durchfüh-

rung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektromagneti-

sche Felder - 26. BImSchV <1996>) i.d.F. vom 16. Dezember 1996 (BGBl I

S. 1966) nicht überschritten werden. Sie setzt damit die Schwelle der erhebli-

chen Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG mit der Schwelle

der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3

Abs. 1 BImSchG i.V.m. der 26. BImSchV gleich, die durch Abwägung nicht

überwindbar ist (vgl. Beschluss vom 22. Juli 2010 - BVerwG 7 VR 4.10 - NVwZ

2010, 1486 Rn. 23). Dieser Sichtweise entspricht es, dass der Gutachter der

Beigeladenen die Umweltauswirkungen durch elektromagnetische Felder auf

einer dreistufigen Skala als „gering“ einschätzt, ohne der Frage nachzugehen,

inwieweit sich die elektrische Feldstärke und die magnetische Flussdichte be-

reits dem maßgeblichen Grenzwert nähern.

37

Dies verkennt den rechtlichen Maßstab. Nach § 3c Satz 1 UVPG ist eine Um-

weltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn das Vorhaben nach Einschät-

zung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berück-

sichtigung der in der Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige

Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wä-

ren. Nach § 12 UVPG zu berücksichtigen sind erhebliche nachteilige Umwelt-

auswirkungen nicht erst dann, wenn die Umweltauswirkungen so gewichtig

sind, dass sie nach Einschätzung der Behörde zu einer Versagung der Zulas-

sung führen können (Urteil vom 13. Dezember 2007 - BVerwG 4 C 9.06 -

BVerwGE 130, 83 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 30). Denn die Umweltver-

träglichkeitsprüfung soll die Umweltbelange so herausarbeiten, dass sie in die

Abwägung in gebündelter Form eingehen (Urteil vom 18. November 2004

- BVerwG 4 CN 11.03 - BVerwGE 122, 207 <211> = Buchholz 406.251 § 17

UVPG Nr. 1 S. 6). Sie ist ein formalisierter Zwischenschritt mit dem Ziel einer

zunächst auf die Umweltbelange beschränkten Bewertung der Auswirkungen

des Vorhabens im Rahmen der Abwägung aller Belange und dient als wir-

kungsvolle Methode, die Umweltbelange in den Abwägungsprozess einzufüh-

ren (Urteil vom 25. Januar 1996 - BVerwG 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <247>

= Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 107 S. 62 f.). Gerade die Abwägungsent-

scheidung lässt das Planfeststellungsrecht als besonders geeignetes Träger-

verfahren für die Umweltverträglichkeitsprüfung erscheinen (Beckmann, in:

Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 12 UVPG Rn. 83). Hiervon ausge-

hend muss die Umweltverträglichkeitsprüfung daher grundsätzlich auch die

Abwägungsentscheidung vorbereiten, wenn Umweltauswirkungen in die Abwä-

gung eingehen und damit bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vor-

habens im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge nach § 12 UVPG zu be-

rücksichtigen sind. Maßgeblich ist insoweit das materielle Zulassungsrecht (Ur-

teile vom 13. Dezember 2007 a.a.O., vom 20. August 2008 - BVerwG 4 C

11.07 - BVerwGE 131, 352 Rn. 34 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 2 und

vom 16. Oktober 2008 - BVerwG 4 C 5.07 - BVerwGE 132, 123 Rn. 32

= Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 32; vgl. auch BTDrucks 14/4599 S. 95).

38

Im Luftverkehrsrecht hat der Senat angenommen, dass nachteilige betriebsbe-

dingte Auswirkungen bei einer Änderungsgenehmigung zu berücksichtigen und

damit grundsätzlich im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG erheblich sind, wenn sie

mehr als geringfügig und damit abwägungserheblich sind (Urteile vom 13. De-

zember 2007 a.a.O. Rn. 30 und vom 16. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 30). Jeden-

falls bei Überschreiten der fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle

könne die Erheblichkeit allenfalls verneint werden, wenn bereits der Vorhaben-

träger Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen vorgesehen habe und

diese die nachteiligen Umweltauswirkungen offensichtlich ausschlössen. Auch

in der Anordnung von Betriebsbeschränkungen zugunsten von Anwohnern hat

der Senat einen Anhaltspunkt für die Abwägungserheblichkeit gesehen (Urteil

vom 16. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 33). Hiervon ausgehend musste der Beklagte

vorliegend ebenfalls erhebliche Umweltauswirkungen annehmen. Denn bei der

Planfeststellung einer Höchstspannungsfreileitung gehört zu den weiteren er-

heblichen Belangen in der Abwägung das Interesse an jeglicher Verschonung

vor elektromagnetischen Feldern, auch wenn diese die Grenzwerte unterschrei-

ten (Beschlüsse vom 22. Juli 2010 a.a.O. Rn. 35 und vom 26. September 2013

- BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 59).

39

Die Rechtsprechung des Senats ist auf Vorbehalte gestoßen. Ihr mag entgeg-

net werden, dass nach ihren Maßstäben eine allgemeine Vorprüfung des Ein-

zelfalls nach § 3c Satz 1 UVPG im Widerspruch zur Konzeption des Gesetzge-

bers nahezu zwangsläufig zur Annahme erheblicher nachteiliger Umweltauswir-

kungen und damit zu einer Umweltverträglichkeitsprüfung führe . Denn es er-

scheint kaum ein der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls unterliegendes

Vorhaben der Fachplanung denkbar, das nicht jedenfalls abwägungserhebliche

Umweltauswirkungen hat (zweifelnd daher etwa OVG Hamburg, Beschluss vom

24. Februar 2010 - 5 Bs 24/10 - NordÖR 2010, 206 - juris Rn. 21). Diesen Vor-

behalten braucht der Senat hier indes nicht nachzugehen. Zwar sind bei

Höchstspannungsfreileitungen regelmäßig Immissionen elektromagnetischer

Felder in der Abwägung zu bewältigen. Vorliegend war aber auf einem erhebli-

chen Teilabschnitt eine Belastung der Wohnbevölkerung in einer Stärke zu er-

warten, die so nah an einen Grenzwert heranreichte, dass im Zeitpunkt der

Vorprüfung ein Einfluss auf das Ergebnis des Planfeststellungsbeschlusses

nicht ausgeschlossen werden konnte. Denn die Abwägung des Schutzes vor

elektromagnetischer Strahlung ist ausgehend von den Grenzwerten zu gewich-

ten. Dieser Belang ist umso gewichtiger, je näher die Belastung an die Grenz-

werte heranreicht, sein Gewicht ist umso geringer, je weiter sie hinter dieser

Schwelle zurückbleibt. Insoweit orientiert sich der Senat an dem im Fluglärm-

schutzrecht entwickelten Ansatz (Urteil vom 4. April 2012 - BVerwG 4 C 8.09

u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 190 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 37). Nach

einer Berechnung der Beigeladenen aus dem Mai 2010 - und damit vor der er-

neuten Vorprüfung (vgl. Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 31.10 -

BVerwGE 141, 282 Rn. 29 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3) - war zwi-

schen Mast 21 und 22 angrenzend an Wohngebiete in B. eine elektrische Feld-

stärke von 3,8 kV/m und eine magnetische Flussdichte von 21,0 µT zu erwar-

ten. Die elektrische Feldstärke näherte sich damit deutlich dem Grenzwert von

5,0 kV/m und betraf absehbar auf einer nicht unerheblichen Länge der Trasse

Wohnbebauung. Die prognostizierte Belastung warf erkennbar die Frage auf,

ob im Rahmen der Abwägung eine Senkung dieser Belastung in Betracht kam.

Es wäre Aufgabe einer Umweltverträglichkeitsprüfung gewesen, diese Abwä-

gung vorzubereiten. Die Möglichkeit erheblicher nachteiliger Umweltauswirkun-

gen im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG hätte die Planfeststellungsbehörde des-

halb nicht verneinen dürfen.

40

d) Die Fehlerfolge ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 UmwRG

i.V.m. § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG. Namentlich ist § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG an-

zuwenden , der durch das Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfs-

gesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013

(BGBl I S. 95) mit Wirkung vom 29. Januar 2013 erlassen worden ist, und der

die bisherige Rechtslage klarstellt (BTDrucks 17/10957 S. 17; vgl. bereits Urteil

vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 33).

41

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über

die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG verlangt wer-

den, wenn eine nach den Bestimmungen des Umweltverträglichkeitsprüfungs-

gesetzes erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt und

nicht nachgeholt worden ist. Ein solcher Fall liegt nach § 4 Abs. 1 Satz 2

UmwRG auch vor, wenn - wie hier - eine durchgeführte Vorprüfung des Einzel-

falls über die UVP-Pflichtigkeit nicht dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG ge-

nügt. Die Vorschrift gilt nach § 4 Abs. 3 UmwRG für Rechtsbehelfe von Beteilig-

ten nach § 61 Nr. 1 VwGO und damit für die Klägerin entsprechend. Sie wird so

auf Rechtsbehelfe erstreckt, deren Zulässigkeit von der Geltendmachung sub-

jektiv-öffentlicher Rechte abhängt (BTDrucks 16/2495 S. 14). § 4 Abs. 3

UmwRG begründet damit nicht die Klagebefugnis, sondern verändert gegen-

über der allgemeinen Regelung des § 46 VwVfG NRW die Begründetheitsprü-

fung (Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - Buchholz 310 § 42

Abs. 2 VwGO Nr. 33 Rn. 22). Hat die Behörde eine Umweltverträglichkeitsprü-

fung fehlerhaft unterlassen, ist dieser Fehler erheblich, ohne dass es nach na-

tionalem Recht darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften der

Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dienen und ob dieser Feh-

ler die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte. Der Verfahrensfehler führt

damit zur Begründetheit der Klage , unabhängig von den sonst nach § 113

Abs. 1 Satz 1 VwGO geltenden einschränkenden Maßgaben (Beschluss vom

27. Juni 2013 - BVerwG 4 B 37.12 - BauR 2013, 2014 Rn. 10).

42

Ungeachtet des Wortlauts des § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG führt der festgestellte

Rechtsfehler hier nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses. Der

auf den Regelfall des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zugeschnittene Wortlaut er-

setzt die spezielle Fehlerfolgenregelung des § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG nicht,

vielmehr geht die letztgenannte Regelung als speziellere vor (ebenso Urteil vom

20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 34 = Buch-

holz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3 zu § 17e Abs. 6 Satz 2 FStrG). Vorliegend kann

es mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit nach § 43e

Abs. 4 Satz 2 EnWG sein Bewenden haben. Denn der eingetretene Verfahrens-

fehler kann in einem ergänzenden Verfahren behoben werden.

43

Dies begegnet keinen unionsrechtlichen Bedenken (Urteil vom 20. Dezember

2011 a.a.O. Rn. 36). Denn die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit

und Nichtvollziehbarkeit stellt sicher, dass die Zulassungsentscheidung nicht

ausgeführt werden darf, bevor die unterbliebene Umweltverträglichkeitsprüfung

nachgeholt und die in ihrem Rahmen getroffenen Feststellungen und Bewer-

tungen der Umweltauswirkungen des Vorhabens in einer erneuten Zulassungs-

entscheidung gewürdigt worden sind . Diese Würdigung muss ergebnisoffen

erfolgen und ist wiederum mit Rechtsbehelfen angreifbar. Eine Umgehung oder

Nichtanwendung der Regelungen über die Umweltverträglichkeitsprüfung wird

dadurch verhindert. Diese können vielmehr ihre volle Wirkkraft entfalten.

44

II. Die weiteren von der Klägerin gerügten Rechtsverletzungen führen schon

deshalb nicht zu einem weitergehenden Klageerfolg, weil sie - ihr Vorliegen un-

terstellt - nicht von einer solchen Art und Schwere wären, dass die Planung als

Ganzes von vornherein in Frage gestellt schiene (vgl. Urteil vom 24. November

2010 - BVerwG 9 A 13.09 - BVerwGE 138, 226 Rn. 83 = Buchholz 406.11 § 7

BauGB Nr. 4). Es bedarf insoweit aber auch weder einer Planergänzung noch

der Durchführung eines ergänzenden Verfahrens mangels Rechtsfehlern zu

Lasten der Klägerin. Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob einzelne Einwen-

dungen nach § 43b Nr. 1 Satz 2 EnWG präkludiert sein könnten und - bejahen-

denfalls - ob diese Präklusion unionsrechtlichen Bedenken begegnet.

45

1. Die Planrechtfertigung liegt vor. Das Vorhaben ist gemessen an den Zielen

des zugrunde liegenden Fachplanungsgesetzes vernünftigerweise geboten (Ur-

teile vom 22. März 1985 - BVerwG 4 C 15.83 - BVerwGE 71, 166 <168>

= Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 59 S. 60 f. und vom 26. April 2007 - BVerwG

4 C 12.05 - BVerwGE 128, 358 Rn. 45 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 27).

Die planfestgestellte Trasse ist Teil des Vorhabens Nr. 14 der Anlage zum

EnLAG und entspricht damit nach § 1 Abs. 2 Satz 1 EnLAG den Zielsetzungen

des § 1 EnWG. Seine energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringli-

che Bedarf stehen nach § 1 Abs. 2 Satz 2 EnLAG fest. Diese Feststellungen

sind für die Planfeststellung und die Plangenehmigung nach den §§ 43 bis 43d

EnWG gemäß § 1 Abs. 2 Satz 3 EnLAG verbindlich. Dies gilt auch für das ge-

richtliche Verfahren (Urteil vom 18. Juli 2013 - BVerwG 7 A 4.12 - NuR 2013,

794 Rn. 35 - zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen).

46

Der Einwand der Klägerin, die Schutzstreifen griffen auf ihre Grundstücke zu

umfangreich zu, betrifft nicht die Planrechtfertigung. Für sie reicht aus, dass die

mit dem Vorhaben verfolgten öffentlichen Interessen generell geeignet sind,

entgegenstehende Eigentumsrechte zu überwinden. Ob das Wohl der Allge-

meinheit den Zugriff auf ein einzelnes Grundstück letztlich erfordert, hängt von

der weiteren planerischen Konkretisierung des Vorhabens ab und ist eine Frage

der fachplanerischen Abwägung (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A

1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 183 f. = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 23).

47

2. Der Planfeststellungsbeschluss verletzt - abgesehen von dem unter B I. fest-

gestellten Rechtsverstoß - kein zwingendes Recht. Die planfestgestellte

Höchstspannungsfreileitung unterfällt als sonstige ortsfeste Einrichtung nach

§ 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Da sie keiner

immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG

i.V.m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV bedarf, ist sie nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

und 2 BImSchG so zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhin-

dert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, und nach dem

Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Min-

destmaß beschränkt werden .

48

Diese Anforderungen dienen dem allgemeinen öffentlichen Interesse und dem

Schutz Betroffener und sind nicht dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht

zugeordnet (Urteil vom 18. Juli 2013 a.a.O. Rn. 64). Die Klägerin könnte indes

einen Eingriff in ihr Eigentum rügen, wenn Nutzer und Bewohner ihrer Anlagen

in rechtswidriger Weise Immissionen ausgesetzt würden (vgl. Urteil vom

26. März 2007 - BVerwG 7 B 73.06 - Buchholz 451.171 § 9b AtG Nr. 2 Rn. 10).

49

a) Hinsichtlich elektromagnetischer Felder konkretisiert die 26. BImSchV (1996)

die Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor

schädlichen Umwelteinwirkungen und zur Vorsorge gegen schädliche Umwelt-

einwirkungen durch elektromagnetische Felder (§ 1 Abs. 1 Satz 2 der

26. BImSchV <1996>).

50

Die planfestgestellte Leitung, eine Niederfrequenzanlage nach § 1 Abs. 2 Nr. 2

Buchst. a der 26. BImSchV (1996), ist nach § 3 Satz 1 der 26. BImSchV (1996)

i.V.m. dem Anhang 2 so zu errichten und zu betreiben, dass in ihrem Einwir-

kungsbereich in Gebäuden oder auf Grundstücken, die zum nicht nur vorüber-

gehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, bei höchster betrieblicher

Auslastung unter Berücksichtigung von Immissionen durch andere Niederfre-

quenzanlagen der Effektivwert der elektrischen Feldstärke 5 kV/m und der Ef-

fektivwert der magnetischen Flussdichte 100 µT nicht überschreitet. Zum Zwe-

cke der Vorsorge haben nach § 4 der 26. BImSchV (1996) bei der Errichtung

einer Niederfrequenzanlage in der Nähe von Wohnungen oder Schulen in die-

sen Gebäuden oder auf diesen Grundstücken auch die maximalen Effektivwerte

diesen Anforderungen zu entsprechen. Diese Vorgaben wahrt das streitgegen-

ständliche Vorhaben.

51

Die Grenzwerte der 26. BImSchV (1996) sind von Rechts wegen nicht zu bean-

standen (stRspr, Beschlüsse vom 22. Juli 2010 - BVerwG 7 VR 4.10 - NVwZ

2010, 1486 Rn. 25, vom 28. Februar 2013 - BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013,

345 Rn. 20 und vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800

Rn. 33 ff.). Die staatliche Schutzpflicht für die menschliche Gesundheit aus

Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG fordert nach derzeitigem fachwissenschaftlichen Kennt-

nisstand keine niedrigeren Grenzwerte. Der Verordnungsgeber verfügt bei der

Erfüllung seiner Schutzpflicht für die menschliche Gesundheit über einen weiten

Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum, der auch Raum lässt,

konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Die ver-

fassungsrechtliche Schutzpflicht wird erst verletzt, wenn die öffentliche Gewalt

Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Maß-

nahmen gänzlich ungeeignet oder unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel

zu erreichen oder erheblich dahinter zurückbleiben. Von einem solchen völlig

unzureichenden Schutz kann so lange keine Rede sein, als sich die Eignung

und Erforderlichkeit geringerer Grenzwerte mangels verlässlicher wissenschaft-

licher Erkenntnisse noch gar nicht abschätzen lässt (BVerfG, Beschlüsse vom

30. November 1988 - 1 BvR 1301/84 - BVerfGE 79, 174 <202>, vom 28. Febru-

ar 2002 - 1 BvR 1676/01 - NJW 2002, 1638 <1639> sowie Kammerbeschluss

vom 24. Januar 2007 - 1 BvR 382/05 - NVwZ 2007, 805 = juris Rn. 18).

52

Gemessen hieran ist davon auszugehen, dass die Grenzwerte der

26. BImSchV (1996) wirksam akute Beeinträchtigungen der Gesundheit verhin-

dern. Der Verordnungsgeber hat bei der Novelle zur 26. BImSchV (Art. 1 der

Verordnung vom 14. August 2013 - BGBl I S. 3259) an dem Grenzwert für die

elektrische Feldstärke und die magnetische Flussdichte festgehalten (Anhang 1

<zu §§ 2, 3, 3a, 10> i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 der 26. BImSchV) und sich dabei

auf Empfehlungen der 2010 veröffentlichten Guidelines der International Com-

mission on non-Ionizing radiation protection (ICNIRP) berufen (veröffentlicht in

Health Physics 99 <6>: S. 818 <2010>). Auch mögliche Langzeitfolgen lassen

nicht erkennen, dass der Verordnungsgeber seinen Einschätzungs-, Wertungs-

und Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte. Die zu Langzeitfolgen

vorliegende Befundlage erweist sich als „nicht stark genug, um einen Kausalzu-

sammenhang zu belegen, aber ausreichend, um eine Besorgnis zu begründen“

(Sachverständiger Matthes, Deutscher Bundestag, Ausschuss für Umwelt, Na-

turschutz und Reaktorsicherheit, 17. WP, 92. Sitzung vom 27. Februar 2013,

Protokoll 17/92 S. 10). Diese Bewertung entspricht im Kern der Einschätzung

der Strahlenschutzkommission (Vergleichende Bewertung der Evidenz von

Krebsrisiken durch elektromagnetische Felder und Strahlungen, Stellungnahme

der Strahlenschutzkommission vom 14./15. April 2011, S. 52 ff.). Die von der

Klägerin angeführten wissenschaftlichen Arbeiten ziehen diese Einschätzung

nicht in Zweifel. Der Strahlenschutzkommission war der Standpunkt von

J. Schütz und A. Ahlborn bekannt, auf die sich die Klägerin beruft (vgl. Stel-

lungnahme, a.a.O. S. 77). Ob die weiter von der Klägerin vorgelegte Tabelle zu

einem möglichen Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen bei Kindern

und der Wohnentfernung zu Höchstspannungsfreileitungen eine Risikoerhö-

hung belegt, mag offen bleiben. Jedenfalls bietet sie keinen Anhalt für die An-

nahme, dass der Verordnungsgeber seinen Einschätzungs-, Wertungs- und

Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte.

53

b) Den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen kon-

kretisiert für anlagenbezogene Lärmimmissionen die Technische Anleitung zum

Schutz gegen Lärm (TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl S. 503). Ihr kommt

eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die norma-

tive Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Ge-

räuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten

und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmtem Immis-

sionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der

Geräuschimmissionen vorschreibt (Urteile vom 29. August 2007 - BVerwG 4 C

2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 12 = Buchholz 406.25 § 48 BImSchG Nr. 9 und

vom 29. November 2012 - BVerwG 4 C 8.11 - BVerwGE 145, 145 Rn. 18). Den

Anforderungen der TA Lärm genügt das Vorhaben.

54

Das vom Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegte Gutachten des TÜV

Hessen prognostiziert an den am höchsten belasteten Immissionsorten einen

nächtlichen Beurteilungspegel von geringfügig mehr als 35 dB(A). Substantiier-

te Einwendungen dagegen hat die Klägerin nicht erhoben. Insbesondere fehlt

ein Anhaltspunkt für den Verdacht, bei den der Prognose zugrunde liegenden

Messwerten sei ein Messabschlag nach Ziffer 6.9 TA Lärm in Abzug gebracht

worden.

55

Den Anforderungen der TA Lärm ist auch unter der Annahme genügt, dass die

am höchsten belasteten Immissionsorte in reinen Wohngebieten liegen. Wegen

ihrer Randlage zum Außenbereich gegenüber einem privilegierten Außenbe-

reichsvorhaben (hier: § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB) und ihrer Vorbelastung durch

die fortbestehende Freileitung Bl. 2388 sind die Grundstücke nur vermindert

schutzwürdig (vgl. Beschluss vom 21. Dezember 2000 - BVerwG 7 B 4.10 -

BRS 78 Nr. 117 Rn. 32). Daher ist der maßgebliche Immissionsrichtwert nach

Ziffer 6.7 der TA Lärm („Gemengelage“) zu ermitteln. Hier reicht der Schutz ei-

nes allgemeinen Wohngebiets aus. Der damit nach Ziffer 6.1 Buchst. d TA Lärm

einzuhaltende Immissionsrichtwert von 40 dB(A) für die Nacht wird gewahrt.

56

Diese Einschätzung liegt auf der sicheren Seite. Das Gutachten des TÜV Hes-

sen geht von einem Datenpool aus, dem Messwerte für 4er-Bündel-Seile in der

Ausführung 4 * Al/St 265/35 zugrunde liegen (S. 5, 12). Der Beklagte hat in der

mündlichen Verhandlung klargestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss in

dem Abschnitt Edelstahlwerk bis Punkt Sankt T. die Verwendung dickerer Pha-

senseile (Al/St 550/70) zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm festsetzt

(Erläuterungsbericht, S. 30). Diese Phasenseile lassen wegen der geringeren

Randfeldstärken eine deutliche Minderung der Emissionen gegenüber den pro-

gnostizierten Werten erwarten (Gutachten TÜV Hessen S. 39).

57

3. Nach § 43 Satz 3 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben

berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu be-

rücksichtigen. Dieses Abwägungsgebot ist nicht verletzt.

58

Dabei ist die gerichtliche Kontrolle der Auswahl zwischen verschiedenen Pla-

nungsalternativen als Abwägungsentscheidung auf erhebliche Abwägungs-

mängel begrenzt (§ 43 Satz 3, § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG). Ihre Rechtmäßig-

keit hängt nicht davon ab, ob für eine andere planerische Lösung einleuchtende

Gründe angeführt werden können. Es reicht vielmehr aus, wenn die Behörde

ernsthaft in Betracht kommende Alternativen prüft, sich mit dem Für und Wider

der jeweiligen Lösung auseinandersetzt und tragfähige Gründe für die gewählte

Lösung anführen kann. Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit sind

erst dann überschritten, wenn eine andere als die gewählte Lösung sich unter

Berücksichtigung der abwägungserheblichen Belange als die eindeutig besse-

re, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellt (vgl.

Urteile vom 25. Januar 1996 - BVerwG 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <249 f.>

= Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 107 S. 65 f. und vom 9. Juni 2004 - BVerwG

9 A 11.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 41 m.w.N. <inso-

weit in BVerwGE 121, 72 nicht abgedruckt>).

59

a) Die planfestgestellte rechteckige statt der von der Klägerin geforderten ellip-

tischen Form der Schutzstreifen ist im Ergebnis nicht abwägungsfehlerhaft. Der

Beklagte hält die Nutzungsbeschränkungen bei rechteckigen Schutzstreifen für

leichter erkennbar; diese Form entspreche der Eintragung im Grundbuch und

ermögliche Wartungsarbeiten im Bereich der Masten. Diese Gesichtspunkte

können die entgegenstehenden Eigentümerinteressen der Klägerin überwinden,

die von der Form der festgelegten Schutzstreifen nur am Rande berührt wer-

den. Dass entsprechende Darlegungen im Planfeststellungsbeschluss fehlen,

ist jedenfalls nach § 43e Abs. 4 Satz 1 EnWG unbeachtlich, weil ein etwaiger

Mangel auf das Abwägungsergebnis nicht von Einfluss gewesen ist.

60

b) Besondere Vorkehrungen gegen die Gefahr von Mastbrüchen brauchte der

Planfeststellungsbeschluss nicht zu treffen. Eine Planfeststellungsbehörde hat

sich Gewissheit darüber zu verschaffen, dass ein durch das Vorhaben aufge-

worfenes tatsächliches Problem bei der Ausführung des Planfeststellungsbe-

schlusses beherrschbar ist und das hierfür notwendige Instrumentarium bereit

steht. Der Planfeststellungsbeschluss kann daher die Bauausführung ausklam-

mern, soweit der Stand der Technik für die zu bewältigenden Probleme geeig-

nete Lösungen zur Verfügung stellt und die Beachtung der entsprechenden

technischen Vorgaben gewährleistet ist (Urteil vom 18. März 2009 - BVerwG

9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 97 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 201).

Nach § 49 Abs. 1 EnWG sind Energieanlagen so zu errichten und zu betreiben,

dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Dabei sind vorbehaltlich sons-

tiger Rechtsvorschriften die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu be-

achten. Der Erläuterungsbericht nennt die zu beachtenden technischen Regel-

werke (S. 16 f.). Der Planfeststellungsbeschluss durfte davon ausgehen, dass

diese Regelungen ausreichende Möglichkeiten bereitstellen, um hinreichend

vor Mastbrüchen zu schützen.

61

c) Der Planfeststellungsbeschluss verletzt nicht die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG

wurzelnde Planungshoheit der Klägerin. Der 7. Senat hat dies in seinem den

Beteiligten bekannten Beschluss vom 28. Februar 2013 dargelegt und dabei

insbesondere das Gebiet des Bebauungsplans Nr. 653 in den Blick genommen

(BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 23). Der erkennende Senat teilt die-

se Auffassung. Die Klägerin ist ihr in der mündlichen Verhandlung nicht mehr

entgegengetreten.

62

d) Es bedarf keiner Entscheidung, ob § 1 Abs. 1 EnLAG i.V.m. der Anlage so-

wie § 43 Abs. 1 Nr. 1 EnWG die von der Klägerin geforderte Führung als Erd-

kabel ausschließt. Der Planfeststellungsbeschluss hat sich jedenfalls ohne Ab-

wägungsfehler gegen diese Alternative ausgesprochen (Beschluss vom

28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 32 f.).

63

Er hat die Vor- und Nachteile einer Freileitung und eines Erdkabels in den Blick

genommen, gewürdigt und der Ausführung als Freileitung in Übereinstimmung

mit dem von der Klägerin beauftragten Gutachter den Vorrang eingeräumt. Stö-

rungen seien bei Freileitungen besser beherrschbar, der Reparaturaufwand

geringer, die zu erwartende Lebensdauer höher und die Kosten erheblich nied-

riger. Ein Erdkabel entlaste zwar das Landschaftsbild, belaste aber die Schutz-

güter Biotope, Boden und Wasser stärker. Das unterschiedliche Emissionsver-

halten von Freileitung und Erdkabel sieht der Planfeststellungsbeschluss, misst

ihm aber keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Diese Überlegungen genü-

gen dem Abwägungsgebot.

64

Die Einwände der Klägerin zeigen keinen im Ergebnis erheblichen Abwägungs-

fehler auf. Ob der Planfeststellungsbeschluss davon ausgehen durfte, dass bei

Erdkabeln die technische Sicherheit im Sinne von § 49 Abs. 1 Satz 1 EnWG

nicht gewährleistet ist, kann mangels Ergebnisrelevanz offen bleiben (§ 43e

Abs. 4 Satz 1 EnWG). Denn die Abwägung des Beklagten wird gerade für den

Fall angestellt, dass ein Erdkabel grundsätzlich planfeststellungsfähig ist und

nicht von vornherein an rechtlichen Grenzen scheitert. Der Planfeststellungsbe-

schluss durfte auch - entgegen der Auffassung der Klägerin - die höhere Über-

tragungskapazität einer Freileitung berücksichtigen, da er diese nicht begrenzt.

Welche Einwände die Klägerin gegen die Bewertung der Kabelübergabestation

als nicht ganz unerhebliches Bauwerk erhebt, ist nicht erkennbar.

65

Schließlich kann die Klägerin den Hinweis des Planfeststellungsbeschlusses

auf die erheblichen Mehrkosten einer teilweisen Endverkabelung nicht entkräf-

ten. Es kommt dem Planfeststellungsbeschluss entscheidend auf die Mehrkos-

ten an, nicht, jedenfalls nicht ergebnisrelevant (§ 43e Abs. 4 Satz 1 EnWG), auf

die Frage des Investitionsbudgets. Ob die Mehrkosten ins Verhältnis zu den

Gesamtkosten oder zu denjenigen der jeweiligen Teilstrecke gesetzt werden, ist

eine Frage der Darstellung, spielt für die Abwägungskontrolle aber keine Rolle

(Beschluss vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800

Rn. 44).

66

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3, § 154 Abs. 2 VwGO.

Prof. Dr. Rubel      Dr. Gatz      Petz Dr. Decker      Dr. Külpmann

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 60 000 € festgesetzt.

Prof. Dr. Rubel      Dr. Gatz      Petz Dr. Decker      Dr. Külpmann

Sachgebiet:                                                                              BVerwGE:                     ja

Recht des Ausbaus von Energieleitungen                                Fachpresse:                ja

Rechtsquellen:

EnLAG                                 §1

UVPG                                   § 3a, § 3c

UmwRG                               § 4 Abs. 1 und 3, § 4a Abs. 2

EnWG                                   § 43, § 43e Abs. 4

26. BImSchV (1996)

VwGO                                   § 113 Abs. 1 Satz 1

Stichworte:

gemeindliches Eigentum; Beurteilungsermächtigung; allgemeine Vorprüfung

des Einzelfalls; erhebliche Umweltauswirkungen; Abwägungsgebot; Umwelt-

Rechtsbehelfsgesetz; Aufhebung; Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nicht-

vollziehbarkeit; Planrechtfertigung; elektromagnetische Felder; Lärm; Schutz-

streifen; Mastbruch; Erdkabel.

Leitsätze:

Erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen, die nach § 3c Satz 1 UVPG zur

Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung verpflichten, liegen nicht erst

dann vor, wenn die nach dem jeweils einschlägigen materiellen Zulassungs-

recht maßgebliche Schädlichkeitsgrenze voraussichtlich überschritten wird und

damit die Umweltauswirkungen nach Einschätzung der Behörde so gewichtig

sind, dass sie zu einer Versagung der Zulassung führen. Umweltauswirkungen

sind vielmehr jedenfalls bereits dann erheblich, wenn sie an die Zumutbarkeits-

schwelle - hier: an die Grenzwerte der 26. BImSchV - heranreichen und deshalb

in der Abwägung so gewichtig sind, dass im Zeitpunkt der UVP-Vorprüfung ein

Einfluss auf das Ergebnis des Planfeststellungsbeschlusses nicht ausgeschlos-

sen werden kann (Anschluss an Urteil vom 4. April 2012 - BVerwG 4 C 8.09

u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 190).

Die Fehlerfolgenregelung des § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG geht als speziellere

Regelung der allgemeinen Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG i.V.m.

§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor (vgl. Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG

9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 <LS>)

Urteil des 4. Senats vom 17. Dezember 2013 - BVerwG 4 A 1.13

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